Nachrichten aus dem Bereich Berufsbildung

16.06.2020

Zimmerer / Zimmerin: „Ein Beruf mit Zukunft“

Interview mit Peter Hellmuth, Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses

Wie ist es um die allgemeine Situation des Handwerks bestellt ist und wie gestalten sich Aus- und Fortbildung und die Karrieremöglichkeiten im Zimmererhandwerk? Worin liegt das wachsende Interesse am Holzbau begründet und was macht den Beruf des Zimmerers so attraktiv? Antworten auf diese und weitere Fragen zur Berufsaus- und -weiterbildung im Zimmererhandwerk gibt Peter Hellmuth, Vorstandsmitglied (kooptiert) von Holzbau Deutschland und Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses. Der gelernte Zimmermeister ist Mitgeschäftsführer des Holzbaubetriebes Hellmuth Holzbau GmbH. Gegründet wurde das Unternehmen bereits im Jahr 1900 und ist seit mittlerweile vier Generationen im nordhessischen Baunatal ansässig.

Handwerk braucht qualifizierte Nachwuchskräfte

Vor welchen Herausforderungen steht das Handwerk im Allgemeinen und in Ihrem Fall das Zimmererhandwerk?

Eine der zentralen Herausforderungen für das Handwerk insgesamt und natürlich auch für das Zimmererhandwerk ist der Fachkräftemangel. Gut ausgebildete Fachkräfte sind der Dreh- und Angelpunkt eines Unternehmens. Sie sichern unsere Wettbewerbsfähigkeit und unseren wirtschaftlichen Erfolg. Im Vergleich zu anderen Gewerken steht das Zimmererhandwerk zwar gut da – es ist das einzige Bauhandwerk mit steigenden Ausbildungszahlen (*siehe Lagebericht Holzbau Deutschland 2020) – aber wir stehen im Wettbewerb mit vielen anderen Berufen. Trotz dieses Wettbewerbs entscheiden sich viele junge Leute für eine Karriere als Zimmerer. Das ist erfreulich und besonders freut mich auch, dass sich vermehrt Frauen für den Beruf interessieren. Auf den steigenden Ausbildungszahlen im Holzbau dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Wir müssen immer wieder herausstreichen, was die Attraktivität unseres Berufs ausmacht.

Zimmererberuf: Traditionsverbunden, modern und fortschrittlich

Was macht denn den Beruf des Zimmerers / der Zimmerin so attraktiv?

Das Handwerk wird ja oft ausschließlich als bodenständig und traditionsverbunden assoziiert. Weit weniger bekannt ist, wie modern und fortschrittlich es ist. Das Zimmerer-Handwerk ist ein gutes Beispiel dafür. Es kombiniert jahrhundertealte Tradition mit modernster Technik. Wir Zimmerleute verfügen nicht nur über tradiertes Fachwissen, sondern sind zugleich versiert im Umgang mit modernster Technik. Das macht den Beruf des Zimmerers so spannend und unser Handwerk für junge Leute so interessant. Hinzu kommt, dass wir mit einem natürlichen und sauberen Baustoff arbeiten, der einen entscheidenden Beitrag für unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimaschutz und Wohnraum leisten kann. Unser Beruf bietet den Auszubildenden aber auch viele Perspektiven und Möglichkeiten, sich eine tolle Berufskarriere aufzubauen.

Vielfältige Karrierechancen für Zimmerer

Perspektiven und Möglichkeiten im Beruf sind wichtige Stichworte. Was bietet der Beruf des Zimmerers bzw. der Zimmerin den jungen Menschen, die sich nach der Ausbildung beruflich und in Ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln wollen?

Die Ausbildung zum Zimmerer/zur Zimmerin bildet eine gute Grundlage und ist erst der Anfang. Es gibt vielfältige Möglichkeiten und jeder kann sich seinen Karriereweg aktiv nach seinen Vorstellungen gestalten. Dennoch rate ich jedem, nach seiner Ausbildung erstmal ein paar Jahre Berufserfahrung zu sammeln. Danach stehen dann viele Wege offen. Wer will, kann sich in anerkannten Bildungseinrichtungen zum Vorarbeiter, Polier, Zimmermeister oder Holzbauplaner fortbilden. Holzbau Deutschland hat hierzu die verbandseigene „Offensive Aufstiegsqualifikation“ geschaffen, die die Aus- und Fortbildung noch attraktiver macht. Wer will, kann sich aber auch mit dem Meistertitel selbstständig machen. Andere wiederum packen auf die Ausbildung noch ein Studium als Bauingenieur, Holztechniker oder Architekt drauf.

Da wir vorher über Herausforderungen im Zimmererhandwerk gesprochen haben. Das Entscheidende ist nicht nur Auszubildende zu gewinnen, sondern die Ausgebildeten auch im Beruf zu halten. Wir müssen ja auch vorausschauend bedenken, dass der demografische Wandel mit seiner zunehmend alternden Gesellschaft in Deutschland den herrschenden Fachkräftemangel weiter verstärken wird. Daher werden wir uns auch im europäischen Ausland nach qualifizierten Fachkräften umsehen müssen. Das wird nicht einfach, da Umfang und Art der vermittelten Kompetenzen in den einzelnen Ländern große Unterschiede aufweisen. Nach aktuellen Erkenntnissen findet die Ausbildung zum Zimmerer/in im Holzbau nur in etwa der Hälfte aller Länder der Europäischen Union statt. In allen anderen EU-Ländern ist die Berufsbildung im Holzbau durch eine große Vielfalt gekennzeichnet, wobei Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen im Holzbau in unterschiedlich ausgeprägten Bildungssystemen vermittelt werden. Unser europäischer Dachverband Timber Construction Europe erarbeitet daher gerade eine Grundlage zur Entwicklung eines europäischen Qualifikationsrahmens, dem EQF-Timber, für den Holzbaus. Mit diesem EQF-Timber wird die Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen und Kompetenzniveaus in Europa eindeutig.

Wird der Beruf des Zimmerers auch in Zukunft ein Berufsziel für nachfolgende Generationen sein?

Also der Meister in meiner Ausbildung sagte öfters „ein guter Zimmermann wird nie arbeitslos“. Das ist jetzt 40 Jahre her und er hatte recht. Wie ja schon gesagt, ich kenne keinen Beruf, der so vielfältig und interessant ist, so modern, fortschrittlich und sich gleichzeitig der Tradition verpflichtet fühlt. Vom Restaurieren, Reparieren alter Fachwerkhäuser bis zu modernsten mehrgeschossigen Holzrahmen-, Holztafel- oder Hybridbauweisen – der Zimmermann kann‘s! Arbeiten mit modernsten Maschinen, oder computergesteuerten Abbundanlagen – der Zimmermann kann‘s! Wir kennen uns aus mit Bauphysik, Baubiologie und Tragwerksplanung. Zimmermann ist ein Beruf mit Zukunft und den besten Aussichten.

Warum der Holzbau boomt

Holz gilt ja als ein Baustoff der Zukunft. Der Holzbau boomt. Wie schätzen Sie die Berufsaussichten ein?

Für mich ist Holz nicht nur ein Baustoff für die Zukunft. Es ist genau der Baustoff, den wir jetzt brauchen. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ressourcenschonung haben in den vergangenen Jahren eine neue Dynamik erhalten. Denn die Erkenntnis, dass eine klimafreundliche Bauweise einen wichtigen Beitrag zum effektiven Klimaschutz im Gebäudesektor leisten kann, setzt sich immer mehr durch. Daher hat auch die Nachfrage nach ökologischem, nachhaltigem und ressourcenschonendem Bauen mit Holz bei Architekten, Stadtplanern und privaten Bauherren zugenommen. Ohne Zweifel gewinnt der Holzbau damit weiter an Bedeutung. Je größer die Nachfrage im Holzbau, umso mehr steigt die Nachfrage nach kompetenten Mitarbeitern in den Betrieben.

Digitalisierung verändert Arbeitsanforderungen und Berufsausbildung

Ändern sich die Anforderungen für zukünftige Berufseinsteiger?

Ja natürlich, denn das Arbeitsfeld der Zimmerer wird immer vielseitiger. Sie müssen sich vorstellen, dass bis in die Achtzigerjahre noch viele Zimmerer nur einen Dachstuhl abgebunden haben. Jetzt bauen wir zusätzlich Ein- und Mehrfamilienhäuser. Und die Marktentwicklung im Zimmerer Handwerk zeigt, dass auch der mehrgeschossige Holzbau immer mehr zunimmt. Hinzu kommt die stetig voranschreitende Digitalisierung unseres Handwerks. Damit nimmt auch die Wissensvermittlung in der Ausbildung zu. Da wir unsere Berufsausbildung aber ständig aktualisieren, bieten wir unseren Auszubildenden die Möglichkeit, die notwendigen Fertigkeiten und das theoretische Wissen zu erlangen. Sie werden also für die Praxis bestens vorbereitet. Gerade durch den Holzhausbau befassen sich inzwischen viele Bildungszentren mit dem Holztafelbau. So werden bereits in den Kompetenzzentren des Zimmererhandwerks das Thema des Elementierten Bauens in der Theorie und Praxis gelehrt.

Wissensvermittlung bedeutet aber für uns nicht nur, dass wir den Inhalt des Wissens an die aktuellen Anforderungen anpassen. Auch die Art der Wissensvermittlung wird an die neuen Möglichkeiten angepasst. In der beruflichen Ausbildung wird zunehmend mit digitalen Unterrichtsmethoden gearbeitet. Hier werden bereits E-Learning-Module für die fachspezifische Ausbildung entwickelt und eingesetzt. Diese Programme werden die Struktur der Ausbildung zukünftig verändern. Hierfür müssen in der Zukunft die Rahmenlehrpläne entsprechend schrittweise modifiziert werden. Durch die Corona-Pandemie ist das Thema E-Learning auch bei uns noch stärker in den Fokus gerückt.

Sie haben die Digitalisierung erwähnt. Hält sie auch bei im Zimmererhandwerk Einzug? Wenn ja, auf welche Art und Weise?

Für uns Zimmerer ist die Digitalisierung nichts Neues. Sie hat vor über vierzig Jahren dem Zimmererhandwerk einen enormen Schub gebracht. Und ich behaupte mal, die Zukunft des Holzbaus liegt auch weiter in der Digitalisierung. Der Holzbau hat große Chancen, diesen Prozess weiter entscheidend mitzugestalten. Den computergesteuerten maschinellen Abbund kennen wir schon seit den Achtzigerjahren. Digitale Mess- und Anschlagsysteme bei unseren Zuschnittsägen sind bei uns im Zimmerhandwerk schon lange Standard. Auch mit digitalen Entfernungsmessern haben wir schon sehr früh gearbeitet. Diese Werkzeuge sind heute kaum noch wegzudenken genauso wenig wie Neigungsmesser und Winkelmesser beim Aufmaß im Alt- und Neubaubereich. Zur Aufmaßerstellung und zum Dokumentieren einzelner Details arbeiten wir auch schon seit einiger Zeit sehr erfolgreich mit Drohnen.

Heute bietet die Digitalisierung noch sehr viel mehr Möglichkeiten und, ich bin überzeugt, dass sie unseren Beruf weiter verändern wird. Denken Sie nur an die Bereiche der Arbeitsvorbereitung, Vorfertigung und Logistik, die immer mehr digitalisiert werden. Durch die so optimierten und durchgängigen Planungen verändern sich auch die Abläufe beim Bauen. Dadurch werden Planung und Ausführung noch enger miteinander verbunden sein. Schon jetzt werden zahlreiche Holzbauelemente witterungsunabhängig in Werkhallen vorgefertigt. Das verändert die Arbeitsprozesse in den Betrieben und auf den Baustellen. Durch die Digitalisierung entstehen nicht nur enorme Zeit- und Kostenersparnisse. Digitale Prozesse machen zudem das Arbeitsumfeld sicherer, indem sie gefährliche Situationen auf der Baustelle reduzieren.

Essentiell für die Ausbildung: Praxisrelevante Schulungen zur Arbeitssicherheit

Wie wichtig ist im Zimmererhandwerk das Thema Arbeitssicherheit?

Die Arbeitssicherheit ist schon seit vielen Jahren eines unserer zentralen Themen. Dazu hat Holzbau Deutschland die Präventionskampagnen „Absichern statt Abstürzen“ und den „Partnercheck“ ins Leben gerufen. Wir arbeiten eng mit der der Berufsgenossenschaft BAU (BG BAU) zusammen. Beim Runden Tisch „Sichere Bauprozesse im Zimmererhandwerk“ werden laufend Arbeitsmittel und Arbeitsprozesse analysiert und Lösungen erarbeitet, die das Arbeiten auf den Baustellen sicherer machen. All diese Erkenntnisse fließen selbstverständlich auch in die Aus- und Weiterbildung ein. Derzeit werden beispielsweise in Kooperation mit der BG BAU Module zur Absturzsicherung für Ausbildungszentren entwickelt. In einem ersten Schritt sollen Mitarbeiter von Unternehmen eine Grundschulung mit dem Schwerpunkt Absturzprävention bei Leitern erhalten. Danach werden in weiteren Schulungen Absturzprävention bei Gerüsten, der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) und der Anwendung der „Life-Line“ gezeigt. Uns ist dabei wichtig, dass die Schulungen praxisrelevante Bestandteile enthalten. Daher sollten die Ausbildungsstätten entsprechend mit Leitern, Gerüsten, persönliche Schutzausrüstungen und „Life-Line“ Systemen mit Höhensicherungsgeräten ausgestattet sein. Mittelfristig sollen diese Schulungs-Module dann Bestandteil der Gesellenausbildung werden.

* Aus dem aktuellen Lagebericht von Holzbau Deutschland: Bundesweit zählt der Holzbau aktuell 9.347 Auszubildende im Zimmererhandwerk; davon 3.751 im ersten Lehrjahr. Die Ausbildungsquote im Zimmerer- und Holzbaugewerbe beträgt gegenwärtig etwa 11,1 Prozent. Das ist doppelt so viel wie in der Gesamtwirtschaft. Auch die Ausbildungsbereitschaft in unseren Betrieben ist weiterhin erfreulich gut: 76 Prozent unserer Unternehmen, die bis dato ausgebildet haben, wollen auch weiterhin ausbilden, so ein Ergebnis unserer Konjunkturumfrage.



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