Von der Finanzkrise bis zum Brandschutzdetail

Über den Deutschen Holzbautag 2010 berichtete Günther Hartmann, Redakteur bei "mikado", dem Verbandsorgan von Holzbau Deutschland, im April-Heft wie folgt:

Von der Finanzkrise bis zum Brandschutzdetail

Ein weites Themenfeld wies der Deutsche Holzbautag auf, der parallel zur „DACH+HOLZ International am 25. und 26. Februar 2010 in Köln stattfand. „Holzbau im verdichteten Raum“ war ein Schwerpunkt – ein anderer Betriebsführung.

Leicht verdaulich waren die zwei Tage des Deutschen Holzbautags sicherlich nicht. Auf der einen Seite erläuterte Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Radermacher, warum der Mittelstand langfristig zu den Verlierern gehört. Auf der anderen Seite erklärten zwei Unternehmensberater, dass es vor allem am Unternehmer selbst liegt, ob er Erfolg hat oder nicht, und wie die eigene Leistung nochmals steigerbar ist.

In anderen Branchen wären die Teilnehmer angesichts solch eines Spagats mehrheitlich verzweifelt. Der Holzbau aber kann relativ optimistisch in die Zukunft blicken, denn der immer dringlicher werdende Klimaschutz „spielt den Zimmerern in die Hände“, wie der Holzbau-Deutschland-Vorsitzende Ullrich Huth in allen seinen zahlreichen Ansprachen betonte und mit einer einfachen Rechnung unterstrich: Ein durchschnittliches Einfamilienhaus besteht aus 20 t Holz und bindet dadurch 37 t CO2, sodass der Bauherr 18 Jahre lang Auto fahren könnte, ohne eine negative CO2-Bilanz aufzuweisen.

Einblicke ins globalisierte Finanzsystem

Dass die Ursachen des Klimawandels die gleichen sind wie bei der Finanz- und Wirtschaftskrise, betonte Radermacher: Für ein globales Geschehen existieren keine global gültigen Regeln. Im Gegenteil: Der Neoliberalismus kämpfte bisher erfolgreich für eine Deregulierung der Wirtschaft. Das nützt vor allem der Finanzwirtschaft, denn die ist hochmobil und bewegt Geldvermögen in wenigen Sekunden um den Erdball. Ziel ist dabei: Steuern sparen.

Die Bezeichnung „Casino-Kapitalismus“ bezeichnete Radermacher als eine Beleidigung für die Casinos, denn dort herrschten klare Regeln und klare Wahrscheinlichkeiten, während an den Finanzmärkten mit Insiderwissen Geschäftskonstrukte entstanden, die kaum mehr durchschaubar seien und vor allem dazu dienen, die Regierungen auszutricksen und den Super-Reichen und den Investment-Bankern astronomische Gewinne zu verschaffen.

„Voodoo-Kapitalismus“ sei der treffendere Ausdruck, meinte Radermacher, denn es handle sich um faulen Zauber. Das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern wird nur umverteilt. Der explodierende Reichtum weniger Finanzmarktakteure geht auf Kosten der sich immer mehr verschuldenden Staaten, der breiten Bevölkerung sowie der mittel- und kleinständischen Unternehmen. Die sind die „Doofen“ und lassen sich gegeneinander ausspielen. Sinkende Realeinkommen sorgen zwar für eine Erhöhung der Investitionsfähigkeit von Unternehmern, reduzieren aber die Kaufkraft der Mittelschicht – was vor allem Handwerksbetriebe deutlich spüren.

Überleben im harten Konkurrenzkampf

Wie die sich im immer härteren Wettbewerb behaupten können, erläuterte Gerald Köstner. „Kunden nicht nur zufriedenstellen, sondern begeistern und verblüffen“, lautet seine Strategie. Da spielt die handwerkliche Qualität nicht die zentrale Rolle, denn die kann ein Bauherr gar nicht richtig beurteilen. Der registriert andere Signale wie z.B. das Firmenlogo, das Firmenschild, den Parkplatz, den Eingang, den Empfang, den Besprechungstisch, das Gespräch. Und entscheidend im Wettbewerb ähnlicher Unternehmen um ähnliche Aufträge ist natürlich: das Alleinstellungsmerkmal – der Mut zur Unterscheidung, zum Besonderen, zum Verrückten.

Wie ein Unternehmer trotz zahlreicher Stressfaktoren locker, kreativ und freundlich bleiben kann, zeigte Uschi Eichinger anhand neurophysiologischer Erkenntnisse und praktischer Übungen. Stressmanagement ist das Management mit Bildern und Begriffen. Denn der Körper reagiert auf das, was der Verstand ihm sagt – doch das muss in einer Sprache geschehen, die unser vorsteinzeitlich geprägter Körper auch versteht.

Holzbau als große Chance für die Stadt

Um Holzbau ging es natürlich auch beim Deutschen Holzbautag. Ludger Dederich lieferte ein leidenschaftliches Plädoyer für die „Stadt“ und für mehr „Holzbau in der Stadt“. Mit der provokanten Aussage „Köln ist schön, weil es so konsequent hässlich ist“ lenkte er den Blick auf die besondere Qualität der Stadt gegenüber „idyllischen“ Siedlungen: Dichte, Nähe, Vielfalt und Mischung – kurz: Urbanität.

Die Stadt hat dabei auch jenseits von Ästhetik und Lebensgefühl messbare Vorteile: Der Flächenverbrauch und Erschließungsaufwand pro Wohneinheit ist z.B. nur halb so hoch und die Wege zu den Einrichtungen des täglichen Bedarfs sind deutlich kürzer. Deshalb verspüren viele ältere Menschen den Wunsch, nach Auszug der Kinder aus ihren Siedlungen, wo jeder Einkauf mit einer Autofahrt verbunden ist, in die Stadt zu ziehen.

Entschieden wandte sich Dederich gegen Stadtutopien, die die heutigen Probleme mit einem großen spektakulären Neubau-Entwurf lösen wollen – auch wenn dabei das Thema „Nachhaltigkeit“ eine zentrale Rolle spielt. Stattdessen plädierte er für ein kleinteiliges Weiterstricken am Vorhandenen, für eine behutsame Stadtreparatur und einen sensiblen Stadtumbau: für das Füllen von Baulücken und für das Aufstocken vorhandener Gebäude.

Gerade Aufstockungen bieten die Chance, von den monofunktionalen Strukturen der letzten Jahrzehnte wegzukommen und wieder eine intelligente Schichtung und Überlagerung unterschiedlicher Nutzungen zu erreichen: unten Einzelhandel und Gastronomie, darüber Büros, ganz oben Wohnungen – wie das vom Mittelalter bis zur Gründerzeit selbstverständlich war. Als spektakuläres Beispiel zeigte er eine Reihenhaussiedlung mit 60 Wohneinheiten in der Stockholmer Innenstadt – 22 m über dem Straßenniveau auf dem Dach eines großen Bürogebäudes. Gerade bei Aufstockungen sind natürlich leichte Bauweisen gefragt: Holzbau.

Brandschutz ist wichtig – und lösbar

Auch in Köln gibt es ein Musterbeispiel für Aufwertung durch Ausstockung: die Modernisierung der Ford-Siedlung aus den 1950er-Jahren. Davon berichtete der Architekt Joachim Seinecke. Nur durch eine leichte Holzrahmenbauweise war das überhaupt möglich. Der Brandschutz erforderte eine Einkapselung mit Gipsfaserplatten – nichts Außergewöhnliches und einfach umsetzbar.

Wesentlich schwieriger ist dagegen der Brandschutz bei mehrgeschossigen Holzgebäuden realisierbar. Josef Mayr brachte Orientierung ins immer kompliziertere Labyrinth an Verordnungen und Verordnungslücken und brachte die Situation mit einem skurrilen Foto auf den Punkt: ein Mast mit rund 20 Ampeln, baumartig verteilt, in verschiedene Richtungen und jeweils unterschiedliche Signale zeigend.

Da behält nur noch der Brandschutzexperte einigermaßen den Überblick – und den sollte ein Planer deshalb von Anfang an mit ins Boot holen, um ein schlüssiges Brandschutzkonzept zu entwickeln. Grundsätzlich gilt: Für Holzbauer besteht zwar ein Grund zur Vorsicht, aber kein Grund, von mehrgeschossigen Bauwerken die Finger zu lassen. Dafür ist diese Bauaufgabe künftig zu wichtig. Denn eines machte der Deutsche Holzbautag 2010 deutlich: Die Zukunft des Holzbaus liegt nicht auf dem Land, sondern in der Stadt.

Der Holzbau gehört in die Stadt. Dort war er von den ersten Stadtgründungen bis zur Neuzeit schon zu Hause. Und durch seine technischen Innovationen bietet er heute für eine vernünftige Stadtentwicklung so große Chancen, dass eine enge Partnerschaft für beide sehr lohnend ist.

Fotos zum Deutschen Holzbaupreis finden Sie in der mikado-Bildergalerie.

Das Programm des Deutschen Holzbautages 2010 zum Nachlesen: Programm