Tradition im Zimmererhandwerk

Kaum ein Handwerk hat eine so lang überlieferte und gelebte Tradition wie das Zimmererhandwerk. Ob es nun der Zimmererklatsch, die Kluft oder der Brauch des Richtfestes ist. Auch die meisten noch wandernden Gesellen sind dem Zimmererhandwerk zuzuschreiben.

Die Wanderschaft

Wandergesellen beim Abschied

Das zünftige Wandern wird häufig auch als Walz, Tippelei oder Gesellenwanderung bezeichnet. Die Wanderschaft dauert üblicherweise drei Jahre und einen Tag und wird nach dem Abschluss der Lehrzeit begonnen. Heute begeben sich die Gesellen freiwillig auf Wanderschaft.
Während des Spätmittelalters bis zur beginnenden Industrialisierung war die Wanderschaft eine Voraussetzung der zünftigen Gesellen, um die Meisterprüfung ablegen zu dürfen. Der Hintergrund war das Kennenlernen von neuen Arbeitsweisen, das Erlangen von Lebenserfahrung und die Erkundung von fremden Orten und Ländern. In einer Zeit, in der so gut wie keine überregionale Informationsweitergabe stattfand, war dieses eine sehr einfache Möglichkeit, das Wissen über fortschrittliche Arbeitsweisen, neue Erkenntnisse über die verwendeten Materialien und auch über neue Werkzeuge zu verbreiten.
Ein Handwerker, der sich auf der Walz befindet, wird auch als „Fremdgeschriebener“ oder auch als „Fremder“ bezeichnet. Man erkennt ihn an seiner Kluft. Diese besteht bei den Wandergesellen aus einem schwarzen Hut mit breiter Krempe bzw. einem Zylinder, Dreispitz o.ä.. Desweiteren gehört zur Kluft eine Hose mit weitem Schlag, ein Jackett, eine Staude (weißes Oberhemd), eine Weste und einige Zunfterkennungszeichen, die je nach Gesellenvereinigung abweichen. Ein Wandergeselle trägt üblicherweise noch einen Stenz, der ihm als Wanderstock dient, einen Charlottenburger, dies ist ein Tuch, in dem der Wandergeselle seine Habseligkeiten bündelt, und ein Ohrgehänge im linken Ohr. Früher war es üblich, dass dem Wandergesellen bei besonders unehrbarem Verhalten dieser Ohrring herausgerissen wurde. Er galt fortan als „Schlitzohr“.
Der Brauch verlangte früher wie heute einige Regeln: Wer auf Wanderschaft geht, besitzt während seiner Wanderzeit nur das, was er tragen kann. Er darf seinem Heimatort in der gesamten Zeit nicht näher als 50 km kommen und er darf kein eigenes Gefährt besitzen. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist verpönt.
Nach Schätzungen der C.C.E.G., der Dachorganisation aller europäischen Gesellenzünfte, sind derzeit ca. 500 Wandergesellen und Wandergesellinnen weltweit fremdgeschrieben. Der Frauenanteil liegt bei fünf bis zehn Prozent.

Mehr Informationen über das Wandern und Kontaktadressen zu den einzelnen Schächten finden Sie auf der Website der Dachorganisation aller europäischen Gesellenzünfte
www.cceg.eu

Die Zimmererkluft

Zimmerer in der traditionellen Kluft

Die traditionelle Kleidung der Zimmerer im deutschsprachigen Raum ist die sogenannte Kluft. Sie besteht im Allgemeinen aus einem schwarzen Hut mit breiter Krempe, einer schwarzen Weste mit acht weißen Knöpfen zweireihig angebracht, einer Staude, also einem weißen Oberhemd, einer schwarzen Schlaghose sowie einem schwarzen Jackett aus ebenfalls schwerem Stoff und sechs weißen Knöpfen.
Der Herkunftsort der Kluft ist nach der Überlieferung die Stadt Hamburg. Dort trugen die Wasserträger damals eine kluftähnliche Garderobe. Diese wurde dann abgewandelt und von den Schiffszimmerleuten übernommen. Diese traditionelle Kleidung verbreitete sich durch die Wandergesellen, bis sie schließlich irgendwann im 19. Jahrhundert zur offiziellen Zunftkleidung der Zimmerleute erklärt wurde.
Die traditionelle Kluft ist heute bei den Zimmerleuten noch häufiger als bei anderen Gewerken zu sehen, obwohl früher auch in anderen Gewerken die Kluft gang und gäbe war. Jedes Gewerk hat dabei seine eigenen Farben. Beispielsweise ist die Kluft der Steinhandwerker, der Maurer oder der Steinsetzer grau, die der Metallbearbeiter blau.

Der Zimmererklatsch

Gesellen beim traditionellem Zimmererklatsch

Der Zimmererklatsch hat eine lange Tradition im Zimmererhandwerk, die weit bis ins Mittelalter zurück geht. Der traditionelle Zimmererklatsch wurde überall dort geklatscht, wo Zimmerleute gesellig zusammen kamen. Entstanden ist der Klatsch durch die Walz. Trafen sich Wandergesellen in einer fremden Herberge oder in einem Zunfthaus, so wurden am Abend die allbekannten Lieder gesungen und dazu geklatscht. Auf diese Weise wurde man in lockerer Stimmung schnell miteinander bekannt. Der Zimmererklatsch besteht aus sich in Abwandlungen wiederholenden Takten, die zu bekannten Liedern wie zum Beispiel „Aufgeschaut“ geklatscht wurden und werden.
Beim Zimmererklatsch sitzen oder stehen sich zwei Gesellen gegenüber und klatschen wie folgt:

  1. beide Hände auf die eigenen Schenkel
  2. beide Hände an die eigenen Hüften
  3. beide Hände vor der Brust zusammenklatschen
  4. dem Gegenüber überkreuzt vor der Brust die rechte Hand gegen dessen rechte Hand schlagen und die linke Hand gegen dessen linke Hand
  5. dem Gegenüber beide Hände, die rechte gegen dessen linke und die linke gegen dessen rechte Hand, schlagen
  6. und wieder von vorn und immer im gleichen Rhythmus.

Auch heute, wo sich der Holzbau zu einem der innovativsten Bauweisen entwickelt hat, wird an der Tradition des Zimmererklatsches bei festlichen und offiziellen Anlässen wie der Lossprechungsfeier festgehalten.

Hier finden Sie Bilder von einem der größten Zimmererklatsch

Das Richtfest

Das Richtfest wird gefeiert, wenn der Rohbau fertig und der Dachstuhl errichtet ist. Nach Möglichkeit sollten alle am Bau beteiligten Personen dabei sein. Dazu gehören der Architekt und die Handwerker, aber  auch die Helfer und Freunde der Bauherrschaft werden geladen, um mit dem Bauherrn den neu errichteten Rohbau zu feiern. Die Zimmerleute stellen den Richtbaum oder die Richtkrone am Dachstuhl auf. Danach weihen sie mit einem Richtspruch das neue Bauwerk ein. Meist wird dabei um Gottes Segen für das neue Haus gebeten. Den Bauherren, dem Architekten und allen anderen gegenüber, die zum Gelingen des Bauwerks beigetragen haben, wird ein Dank ausgesprochen. Bei diesem Ritual wird vom Vortragenden feierlich ein Glas gehoben und anschließend üblicherweise auf dem Boden zerschmettert. Sollte das Glas dabei nicht zu Bruch gehen, so wird dies oft als schlechtes Omen gewertet.
Danach wird kräftig gefeiert. Die Bauherrschaft bedankt sich mit „Speis und Trank“ bei allen Helfern und den am Bau Beteiligten. Für die Zimmerleute ist dies häufig eine gute Gelegenheit, die Tradition des Zimmerklatsches zu pflegen.

 

Gesellen auf der Walz 1

Die Walz. Eine jahrhundertealte Tradition wird noch immer gelebt. Ein Fernsehbeitrag der Deutschen Welle.