Wie sich gute CO2-Bilanzen fördern lassen

"CO2-Bilanzen erstellen ist anspruchsvoll. Unser CO2-Bonus ist eine praktikable Kompromisslösung."

Baumaterialien, die CO2 binden, fördert bisher nur die Stadt München. Zuständig dafür ist Joachim Lorenz, Referent für Gesundheit und Umwelt.

Herr Lorenz, Ihr Referat unterstützt das Bauen und Sanieren mit nachwachsenden Baustoffen durch einen sogenannten „CO2-Bonus“. Warum?

Joachim Lorenz: Der CO2-Bonus ist Teil unseres Förderprogramms Energieeinsparung (FES), das der Stadtrat zur Umsetzung der städtischen Klimaschutzziele beschlossen hat. Der CO2-Bonus prämiert den Einsatz nachwachsender, Kohlenstoff speichernder Baustoffe bei Neubau- und Sanierungsvorhaben, denn CO2 wird nicht nur durch das Heizen mit fossilen Brennstoffen oder mit Holz freigesetzt, sondern auch schon durch das Bauen selbst, vor allem durch die Herstellung der Baumaterialien und Bauprodukte. Hier gibt es allerdings beachtliche Unterschiede: Die meisten Baustoffe werden unter Einsatz großer Mengen Energie industriell hergestellt und setzen dabei erhebliche Mengen CO2 frei. Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen dagegen setzen beim Wachsen kein CO2 frei, sondern binden es. Und für den Klimaschutz ist eben immer die CO2-Bilanz entscheidend. Deshalb fördern wir das Bauen und Sanieren mit Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen, die regional geerntet oder zertifiziert sind, mit 30 Cent pro Kilogramm.

Worauf bezieht sich das Gewicht?

Auf das langfristig im Gebäude verbaute Baumaterial. Planerinnen und Planer sowie Handwerkerinnen und Handwerker denken zugegebenermaßen nicht in Gewicht, sondern in Querschnitt, Materialstärke und Fläche, aber darüber lassen sich die Volumina ausrechnen und, multipliziert mit der spezifischen Dichte, die entsprechenden Gewichte. Hierfür stellt unser Referat ein „Formblatt zur Berechnung der Förderhöhe CO2-Bonus“ auf der Webseite des Bauzentrums München zur Verfügung. Dort gibt die Antragstellerin oder der Antragsteller in den entsprechenden Eingabefeldern das Volumen der verbauten Hölzer, Holzwerkstoffe und Dämmstoffe ein – und am Ende erscheinen automatisch die Fördersumme und die gebundene CO2-Menge.

Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die KfW-Förderprogramme betrachten bei ihren Anforderungen lediglich den Wärmebedarf eines Gebäudes.

Das finde ich in der Tat etwas irritierend. Die Energie, die zum Errichten eines Gebäudes aufgewendet wird, ist oft so hoch wie die, die benötigt wird, um es mehrere Jahrzehnte zu heizen. Je besser ein Gebäude gedämmt ist, je weniger Heizenergie es braucht, desto paradoxer wird dieses Verhältnis. Wenn wir die Energiewende wirklich ernst nehmen, müssen wir den Energieverbrauch über den gesamten Lebenszyklus betrachten: von der Herstellung der Baumaterialien über die Instandhaltung, die Lebensdauer bis hin zum Abriss und zur Entsorgung. So eine Betrachtung wird bisher nur von einzelnen Bauherren freiwillig gemacht, vom Gesetzgeber aber noch völlig ausgeblendet.

Eine Energiebilanz fordert das FES aber auch nicht?

Nein, das liegt daran, dass deren Erstellung recht kompliziert und somit aufwendig und kostspielig ist. Für den Klimaschutz ist allerdings gar nicht die Energiebilanz entscheidend, sondern die CO2-Bilanz. Aber deren Erstellung ist natürlich genauso anspruchsvoll. Mit unserem CO2-Bonus haben wir jedoch eine praktikable Kompromisslösung gefunden, die zwar nicht den kompletten Lebenszyklus abbildet, dafür aber die CO2-Bindung im Baumaterial. Das ist zwar nur ein Teil der CO2-Bilanz, aber deutlich besser als gar nichts.

Wieso beträgt der CO2-Bonus gerade 30 Cent pro Kilogramm verbauten Materials?

Das Netzwerk Holzbau München untersuchte vor ein paar Jahren, wie hoch bei unserem Förderprogramm das Verhältnis von Förderhöhe und damit erreichter CO2-Einsparung beim Heizen ist. Diese CO2-Vermeidungskosten haben wir dann auf die Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen übertragen.

Wäre auch ein höherer Förderbetrag denkbar?

Durchaus. Die ökologischen Folgekosten aufgrund des Klimawandels sind in den allgemein üblichen Berechnungen meist ungenügend abgebildet. Gäbe es eine „ökologische Kostenwahrheit“, dann würde sich vieles sofort ändern und es könnte ein kreativer CO2-Einsparungswettbewerb auf dem Markt entstehen. Momentan geschieht das Gegenteil: Die energieintensive Herstellung von Baustoffen wird durch die Befreiung von der EEG-Umlage subventioniert. Da ist ein hoher CO2-Bonus für nachwachsende Baustoffe mehr als gerechtfertigt.

 

CO2-Vermeidungskosten

Weiter Infos unter www.stopco2.jetzt

Portrait Joachim Lorenz

Joachim Lorenz war von 1993 bis 1998 Umweltschutzreferent und ist seit 1998 Referent für Gesundheit und Umwelt der Stadt München. Studiert hat er Geographie, Volkswirtschaft und Städtebau, anschließend arbeitete er bis 1993 als Stadt- und Raumplaner beim Planungsverband München. Als Referent ist er in zahlreichen überregionalen Gremien aktiv, unter anderem als Mitglied im Umweltausschuss des Bayerischen Städtetags, als Vorsitzender im Umweltausschuss des Deutschen Städtetags und als Vorsitzender des Europäischen Klima-Bündnisses.

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