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12.05.2014

Den „Meister“ verteidigen!

Interview mit Peter Aicher, Vorsitzender von Holzbau Deutschland, und dem ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa

Die EU-Kommission hat begonnen, die marktzugangsbeschränkende Wirkung des deutschen Meistertitels auf den Prüfstand zu stellen. Es droht seine Abschaffung. Das hätte für das Zimmererhandwerk fatale Folgen. Auf der Fachversammlung von Holzbau Deutschland Ende März 2014 berichtete Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), dass die EU-Kommission in den nächsten zwei Jahren eine Evaluierung reglementierter Berufe durchführen wird. Das Unternehmermagazin und Verbandsorgan von Holzbau Deutschland, „mikado“ sprach darüber mit ihm und mit Peter Aicher, dem neuen Vorsitzenden von Holzbau Deutschland.

mikado: Herr Pakleppa, was hat die EU-Kommission genau vor?

Felix Pakleppa: Derzeit befasst sich die EU-Kommission mit den sog. „reglementierten Berufen“ und deren Zugangsvoraussetzungen. Die Mitgliedsstaaten sollen in einer gegenseitigen Evaluierung überprüfen, ob die Beschränkungen des Zugangs zu den Berufsgruppen angemessen sind. Der Begriff „reglementierter Beruf“ umfasst unter anderem handwerkliche Berufe. Es besteht die Gefahr, dass im Zuge der „Evaluierung“ der Meisterbrief als Zugangshemmnis zum Markt definiert wird. Wir müssen nun der EU-Kommission klarmachen, dass nur ein qualifikationsgebundener Berufszugang nachhaltiges und qualitätssicherndes Unternehmertum im Handwerk gewährleistet.

Welche Konsequenzen hätte eine Abschaffung des Meisterbriefs?

Felix Pakleppa: Da haben wir im deutschen Baugewebe schon schlechte Erfahrungen gemacht. Mit der Novelle der Handwerksordnung 2004 wurde beispielsweise die Meisterpflicht im Fliesenlegerhandwerk abgeschafft. Das Ergebnis lässt sich so zusammenfassen: Viele Schäden, schlechter Ruf, kaum Nachwuchs – ein Berufszweig stirbt. Der für eine Berufsausübung verpflichtende Gesellen- oder Meisterbrief darf deshalb nicht als Marktbarriere definiert werden. Wir müssen die positiven Aspekte einer fundierten Ausbildung hervorheben.

Peter Aicher: Eine fundierte Ausbildung ist gerade im Zimmererhandwerk von zentraler Bedeutung. Holz ist ja ein recht anspruchsvolles Material. Auf der einen Seite ist es genial, auf der anderen sensibel und nimmt einem Fehler übel. Die fachgerechte Handhabung erfordert viel Wissen und Erfahrung. Das kann man nicht in einem vierwöchigen Crashkurs, sondern nur in einer mehrjährigen Ausbildung lernen, in der Theorie und Praxis gut aufeinander abgestimmt sind. Wenn unqualifizierte Billiganbieter in die Holzbaubranche drängen würden, nähmen Pfusch und Bauschäden schlagartig zu. Und das würde dann dem Holzbau an sich angelastet. Unser guter Ruf wäre in kürzester Zeit dahin. Dabei haben wir Jahrzehnte hart daran gearbeitet, dass der Holzbau heute ein positives Image hat, dass er mit „hochwertig“ und nicht mit „billig“ assoziiert wird. Das müssen wir verteidigen!

Wie können wir das verteidigen?

Felix Pakleppa: Wir haben etwas Zeit gewonnen, weil die Zimmerer aus der ersten Gruppe, die evaluiert wird, herausgenommen wurden. Mit den Verbänden, die in der ersten Evaluierungsgruppe sind, stehen wir in engem Kontakt, ebenso mit der Politik. Die Landesverbände werden vom ZDB intensiv informiert.

Peter Aicher: Ich möchte die Gelegenheit nutzen und an alle unsere Landesverbände, Innungen und Betriebe appellieren, die bevorstehende Europawahl zu nutzen, um mit den Kandidaten – egal welcher Partei – Kontakt aufzunehmen und sie über die Bedeutung des Themas aufzuklären. Der Wahlkampf ist hierfür die ideale Gelegenheit. Wenn der vorbei ist, haben die Abgeordneten in Straßburg und Brüssel aufgrund der Überfülle an Terminen so gut wie keine Zeit mehr, in der Heimat den Kontakt mit der Basis zu pflegen. „Jetzt oder nie“ heißt also die Devise. Unser Ziel muss es sein, dass sich alle deutschen Parteien im Europaparlament bei diesem Thema einig sind und innerhalb der Fraktionen Überzeugungsarbeit bei ihren Kollegen aus den anderen EU-Staaten leisten. Im Europaparlament gibt es ja keine starren Blöcke aus Regierungs- und Oppositionsparteien, sondern hier bilden sich von Abstimmung zu Abstimmung immer wieder neue Mehrheiten. Das ist für uns gut, denn dadurch sind die Abgeordneten Argumenten sehr aufgeschlossen. Also: Ran an die Kandidaten!

Genießt denn bei der EU nicht der Verbraucherschutz hohe Priorität?

Felix Pakleppa: Doch, aber die EU-Kommission pflegt einen verfehlten Verbraucherschutzbegriff. Sie ist momentan vor allem der Meinung, dass die Deregulierung dem Verbraucher dient, weil sie die Zahl der Anbieter ausweitet und der verschärfte Wettbewerb die Preise senkt. Sie übersieht dabei, dass dies dem Verbraucher vor allem Pfusch und Minderleistung bringen würde. Wir müssen die Kommission jetzt davon überzeugen, dass der Verbraucher am besten durch eine gute Qualifikation der Handwerker vor bösen Überraschungen geschützt ist.

Können wir den Spieß umdrehen und fordern, dass der Meisterbrief europaweit eingeführt wird?

Felix Pakleppa: Das wäre sicher für ganz Europa ein erfolgversprechendes Modell. Um die duale Berufsausbildung werden wir beneidet. Bei der Berufsweltmeisterschaft hat sich deren Vorteil mit eindrucksvollen Ergebnissen unserer deutschen Teilnehmer erneut gezeigt. Auch die Beschäftigungssituation ist in Deutschland besser als in den meisten Ländern Europas. Das geplante Verfahren bietet hier sogar einen Ansatzpunkt: Ab Juni 2014 sollen sich die Mitgliedstaaten über die Ergebnisse ihrer nationalen Überprüfungen austauschen und dabei sollen die Erforderlichkeit nationaler Reglementierungen diskutiert und Best-Practice-Beispiele identifiziert werden.

Peter Aicher: Dass die Kernnationen der Europäischen Vereinigung des Holzbaus (EVH) – Deutschland, Österreich und Schweiz – gegenüber dem Rest Europas ein deutlich höheres Qualitätsniveau aufweisen, ist die logische Folge unseres dualen Ausbildungssystems und des Meisterbriefs. Nur wenn die Holzbaubetriebe ein hohes technisches Niveau haben, können sie die Entwicklung des Holzbaus mittragen und aktiv mitgestalten. Es ist nicht sinnvoll, wenn eine Gleichmacherei auf niedrigem Niveau stattfindet. Damit ist niemandem gedient – weder den Verbrauchern noch den Planern und Handwerkern. Ein europaweit höheres Niveau sollte das Ziel sein. Und dazu braucht es eine solide, umfassende Ausbildung vom Lehrling bis zum Meister. Das Bauen wird ja immer komplexer und komplizierter. Da die Qualität der Ausführenden zu senken, ist eine Sackgasse.

Felix Pakleppa: Ja, genau. Und deshalb müssen wir jetzt intensiv zusammenarbeiten, unsere Kriterien und nationalen Prioritäten sorgfältig formulieren und die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses herausarbeiten. Dazu gehört auch, die wirtschaftlichen Wachstumspotenziale aufzuzeigen. Für das Baugewerbe ist klar: Ein qualitativ hochwertiger Baumarkt ist mit ein paar Schulungen und ein wenig Anlernpraxis nicht machbar.

Trifft die Evaluierung eigentlich nur das Baugewerbe?

Felix Pakleppa: Nein, der Begriff „reglementierter Beruf“ umfasst neben den handwerklichen Berufen auch die akademischen Berufe. Wir befinden uns also in guter Gesellschaft. Zunächst jedoch sollen die Mitgliedstaaten alle reglementierten Berufe in jenen Branchen einer detaillierten Prüfung unterziehen, die „einen wesentlichen Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum leisten können“. Und dazu zählt die EU-Kommission explizit Unternehmensdienste, Baugewerbe, verarbeitendes Gewerbe, Immobiliengewerbe, Verkehr, Groß- und Einzelhandel.

Hat das Baugewerbe Verbündete im Kampf um den Meistertitel?

Felix Pakleppa: Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat soeben die Resolution „Deutsche Meister. Starkes Europa.“ verabschiedet. Und die Ausbildungsquote im deutschen Handwerk ist mit knapp 8 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Damit ist die nachgewiesene Qualifikation der Ausbilder im Handwerk Mitgarant für die in Deutschland mit etwa 7,4 Prozent niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Wir haben also gute Argumente auf unserer Seite.

Mein Herren, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!



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